Filmprojekt „Gemeinde unter Beobachtung“

Ein ungewohnter Anblick war das Gespräch im Pfarrbüro vor laufender Kamera: Diese Woche besuchte Bernhard Thiessen Pfarrer Ralf Musold. Der Theologe und Kirchenhistoriker arbeitet an einer Dokumentation über Mennoniten in der DDR und war bei seinen Forschungen auch auf die Stadtkirchengemeinde gestoßen. Genauer: Auf deren ehemaligen, 2019 verstorbenen Pfarrer Knuth Hansen, der von 1990 bis 2009 im Dienst war, zuständig für Köpenick-Nord und das Kietzer Feld. Zuvor hatte Hansen vor der Mennonitengemeinde der DDR gepredigt.

Voraussichtlich im November 2023 werden Sie Gelegenheit haben, die Dokumentation zu sehen. Nach Veröffentlichung zeigen wir sie in der Stadtkirche und werden Bernhard Thiessen, der in Berlin-Schöneberg lebt, an diesem Abend zum Gespräch in unsere Gemeinde einladen.

Der Arbeitstitel des Films ist „Gemeinde unter Beobachtung – Mennoniten in der DDR“. Seine Premiere ist für den 29. April in Neuwied (Rheinland-Pfalz) vorgesehen, wo der bundesweite mennonitische Gemeindetag stattfindet. Seit fünf Jahren befasst sich Bernhard Thiessen mit dem Alltag und der Glaubenspraxis der Mennoniten in der DDR. „250 Mitglieder hatte die Gemeinde im geteilten Berlin“, berichtet er, und, „dass deren Geschichte noch nicht erzählt worden ist. Speziell nicht die der Glaubensgeschwister im Ostteil der Stadt.“

Teil dieser Geschichte ist die Person Knuth Hansens, die „weder vernichtet, noch verklärt werden soll“, schildert Bernhard Thiessen. Es deutet sich an, dass ihn die Personalie des ehemaligen Köpenicker Pfarrers stark beschäftigt hat. Hansen war im Mai 1980 in die Mennoniten-Gemeinde gekommen, um deren Vorsitzenden Walter Jantzen zu unterstützen und als Prediger zu wirken. 1981 wurde er – unter Beibehaltung seines lutherischen Bekenntnisses – in die Gemeinde aufgenommen; durchaus gegen den Widerstand einzelner Gemeindeglieder, „die sich etwa daran stießen, dass der neue Prediger einen VW Golf fuhr, ein Westauto, und angab, über gute Kontakte zum Staatssekretär für Kirchenfragen zu verfügen“.

Diese verhalfen im Folgenden nicht nur Hansen selbst, sondern auch dem Kirchenvorstand zu mehr Reisefreiheit, so 1984, als der gesamte Vorstand der Berliner Gemeinde zur Weltkonferenz der Mennoniten nach Frankreich fahren durfte. Bernhard Thiessen hat nachgewiesen, dass Knuth Hansen seit Beginn der 1970er Jahre als IM für die Staatssicherheit sowie für den sowjetischen Geheimdienst (KGB) tätig war.

Text/Fotos: Dr. Tanja Kasischke (1) /Bernhard Thiessen

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